Menschen mit Behinderung finden häufig kaum oder nur schwer eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, also in der freien Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Das Gesetz sieht deshalb besondere Hilfen vor, die behinderten Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen sollen. Kann ein behinderter Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden, kommt eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) oder in einer Tagesförderstätte in Betracht. Auch für Menschen mit Behinderung, die eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren möchten, sieht das Gesetz Unterstützungsmöglichkeiten vor.
Berufsausbildung:
Kommt für den behinderten Menschen eine Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in Betracht, besteht die Möglichkeit, einen Beruf in einem Berufsbildungswerk zu erlernen. Berufsbildungswerke sind überregionale Einrichtungen, die jungen Menschen mit Behinderungen eine berufliche Erstausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen ermöglichen. Berufsbildungswerke bestehen in der Regel aus Ausbildungsstätten, Berufsschulen und Wohngelegenheiten mit fachlicher Betreuung. Die berufliche Bildung ist in der Regel verbunden mit Erziehungsleistungen zur Förderung der Selbständigkeit und Entwicklung der Persönlichkeit. Anträge auf Förderung der Ausbildung in einem Berufsbildungswerk sind bei der örtlichen Arbeitsagentur zu stellen.
Studium:
Zur Finanzierung des Lebensunterhalts können behinderte Studierende Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten. Daneben kann ihnen zur Deckung ihres behinderungsspezifischen Bedarfs im Rahmen der Eingliederungshilfe Hilfe zur Ausbildung geleistet werden. Als Ausbildungshilfen kommen dabei insbesondere Fahrtkosten, Kosten für Gebärdensprachdolmetscher sowie für Studienhelfer (Begleit- und Hilfspersonal zur Unterstützung der Studierenden beim Besuch von Lehrveranstaltungen etc.) in Betracht. Auch Hilfsmittel, die Studierende für ihr Studium benötigen (z.B. ein Computer mit spezieller Zusatzausstattung für einen blinden Studierenden, um Texte selbständig lesen, erfassen und verarbeiten zu können) können gewährt werden. An den Kosten dieser Leistungen müssen sich behinderte Menschen bzw. deren Eltern nach den
oben in Kapitel H) unter I-III dargestellten Grundsätzen beteiligen.
Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt:
Besondere Bestimmungen für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt enthält in erster Linie das Sozialgesetzbuch IX.
1) Integrationsfachdienst:
Eine große Bedeutung bei der Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben kommt den Integrationsfachdiensten (IFD) zu. IFD sind ambulante professionelle Dienstleister, die behinderte Arbeitnehmer bei der Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen. Neben der Beratung und Betreuung der behinderten Arbeitnehmer besteht die Aufgabe der IFD unter anderem auch darin, geeignete Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausfindig zu machen und zu vermitteln sowie den Arbeitgebern als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Mittlerweile gibt es in jedem Bezirk einer Arbeitsagentur einen IFD. Eine Übersicht
über die Adressen und Ansprechpartner der IFD findet man im Internet unter: www.bag-ub.de in der Rubrik „Integrationsfachdienste“. Wer keinen Internetzugang hat, sollte sich bei seiner örtlichen Arbeitsagentur nach dem zuständigen IFD erkundigen.
2) Unterstützte Beschäftigung:
Unterstützte Beschäftigung (UB) soll es behinderten Menschen mit einem komplexen Unterstützungsbedarf ermöglichen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten und ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen. UB beinhaltet in der Regel zunächst eine zeitlich befristete, individuelle betriebliche Qualifizierung am Arbeitsplatz. Bei Bedarf schließt sich nach Aufnahme eines regulären Beschäftigungsverhältnisses eine zeitlich unbefristete Berufsbegleitung an. UB kann von Integrationsfachdiensten aber auch von anderen Trägern angeboten werden. Die Dauer der Qualifizierungsphase beläuft sich in der Regel auf bis zu 2 Jahre und beinhaltet auch die Vermittlung berufsübergreifender Lerninhalte und Schlüsselqualifikationen, wie z.B. Sozial-, Handlungs- und Medienkompetenzen, sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Eine Verlängerung um bis zu 12 Monate ist möglich. Die Teilnehmenden sind sozialversichert und erhalten in der Regel ein Ausbildungsgeld. Erbracht werden die Leistungen in erster Linie von der Bundesagentur für Arbeit.
Die bei Bedarf anschließende Berufsbegleitung dient dazu, das entstandene Arbeitsverhältnis zu stabilisieren und langfristig zu sichern. Auch Menschen mit Behinderungen, die von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln und der weiteren Unterstützung bedürfen, haben einen Anspruch auf Berufsbegleitung. Leistungen der Berufsbegleitung werden in der Regel vom Integrationsamt erbracht.
3) Begleitende Hilfen im Beruf
Als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben sieht das Gesetz insbesondere die Kostenübernahme für Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen, die für die
Berufsausübung erforderlich sind, vor. Ferner werden die Kosten für eine Arbeitsassistenz übernommen, wenn der behinderte Mensch auf direkte
persönliche Hilfe am Arbeitsplatz angewiesen ist. Arbeitsassistenten können z.B. als Vorlesekräfte für sehbehinderte und blinde Menschen tätig sein, aber auch anderweitige Hilfestellungen zur Ausübung der Beschäftigung geben. Darüber hinaus können verschiedene Kraftfahrzeughilfen gewährt werden, wenn infolge der Behinderung ein Kraftfahrzeug zum Erreichen des Arbeitsplatzes erforderlich ist. Voraussetzungen, Antragstellung und Leistungsumfang sind durch die Kraftfahrzeughilfeverordnung geregelt. Die Leistungen können Zuschüsse zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, die Übernahme der Kosten für behinderungsbedingte Zusatzausstattungen sowie Zuschüsse zum Erwerb der Fahrerlaubnis umfassen. Die Leistungen der Hilfe zur Arbeit werden –je nach Zuständigkeit- durch die Agenturen für Arbeit, die Träger der Rentenversicherung oder auch durch die Integrationsämter erbracht.
4) Kündigungsschutz und Zusatzurlaub:
Schwerbehinderte Arbeitnehmer (GdB von mindestens 50) unterliegen einem besonderen Kündigungsschutz. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Außerdem haben schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Jahr.
Werkstatt für behinderte Menschen:
Die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie bietet denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, einen Arbeitsplatz oder die Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit. Voraussetzung für die Aufnahme in eine WfbM ist, dass erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen wird.
Der eigentlichen Aufnahme in die Werkstatt geht eine Phase der Arbeitserprobung voraus, die sich in zwei Abschnitte gliedert. Das zunächst durchgeführte Eingangsverfahren dauert vier bis zwölf Wochen und dient der Feststellung, ob eine Werkstatt die geeignete Einrichtung ist und welche Tätigkeitsbereiche für den behinderten Menschen in Betracht kommen
An das Eingangsverfahren schließt sich dann für die Dauer von bis zu zwei Jahren der Berufsbildungsbereich an. In diesem Bereich der WfbM soll der behinderteMensch in seiner Leistungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung so weit gefördert werden, dass eine geeignete Beschäftigung im Arbeitsbereich der WfbM oder auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist. Kostenträger für die Maßnahmen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich ist die Bundesagentur für Arbeit. Behinderte Menschen erhalten in dieser Vorbereitungszeit ein Ausbildungsgeld, das sich im ersten Jahr auf monatlich 63 Euro und im zweiten Jahr auf monatlich 75 Euro beläuft.
Wird der behinderte Mensch im Anschluss an den Berufsbildungsbereich in den Arbeitsbereich der WfbM aufgenommen, steht er zu der Werkstatt in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, ohne allerdings Arbeitnehmer im eigentlichen Sinne zu sein. Aus dem arbeitnehmerähnlichen Rechtsstatus folgt jedoch, dass die Regelungen über Arbeitszeit, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Erziehungsurlaub und Mutterschutz auch für Werkstattbeschäftigte gelten. Außerdem sind Werkstattbeschäftigte unfall-, kranken-, pflege- und rentenversichert. Neben dem Arbeitsentgelt, das aus dem Produktionserlös der Werkstatt gezahlt wird, erhalten Werkstattbeschäftigte in der Regel ein Arbeitsförderungsgeld, das bis zu 26 Euro monatlich betragen kann. Nach 20-jähriger Tätigkeit in einer WfbM besteht darüber hinaus ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Kosten, die im Arbeitsbereich einer WfbM entstehen, trägt in der Regel der überörtliche Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Werkstattbeschäftigte müssen – sofern ihr monatliches Einkommen 764 Euro übersteigt- allenfalls einen Kostenbeitrag für das Mittagessen leisten. Eltern behinderter Menschen müssen sich an den Werkstattkosten nicht beteiligen.
Tagesförderstätten:
Für schwerstbehinderte und schwerstmehrfachbehinderte Menschen, die die Aufnahmekriterien für die WfbM (noch) nicht erfüllen, kommt die Förderung in einer Tagesförderstätte (auch Förder- und Betreuungsstätte o.ä. genannt) in Betracht. Die in den Tagesförderstätten anzubietenden Maßnahmen haben das Ziel, praktische Kenntnisse und Fähigkeiten zu fördern, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen die für ihn erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Außerdem sollen sie auf Maßnahmen der Teilhabe am Arbeitsleben, vor allem in Werkstätten für behinderte Menschen vorbereiten. Tagesförderstätten sind daher vorrangig in räumlichem oder organisatorischem Zusammenhang mit einer WfbM einzurichten, um den Übergang zur Werkstatt zu erleichtern. Behinderte Menschen, die in Tagesförderstätten gefördert werden, haben
im Gegensatz zu Werkstattbeschäftigten keinen arbeitnehmerähnlichen Status, d.h. sie bleiben z.B. im Rahmen der Familienversicherung über die Eltern krankenversichert.
Die Kosten für die Leistungen in einer Tagesförderstätte trägt in der Regel der überörtliche Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe. Behinderte Menschen müssen lediglich einen Kostenbeitrag für das Mittagessen leisten, sofern ihr monatliches Einkommen 764 Euro übersteigt. Die Eltern werden zu den Kosten der Tagesförderstätte nicht herangezogen.