Das Sozialgesetzbuch IX (Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen), die Steuergesetze sowie eine Reihe weiterer Gesetze sehen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen eine Reihe von Rechten, Hilfen und Einsparungsmöglichkeiten (Nachteilsausgleiche) vor. Nachteilsausgleiche können überwiegend nur genutzt werden, wenn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch und weitere Voraussetzungen durch einen Schwerbehindertenausweis nachgewiesen werden.
Der Schwerbehindertenausweis
Der Schwerbehindertenausweis ist in den meisten Bundesländern beim Versorgungsamt zu beantragen. In einigen Bundesländern (z.B. in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) sind die Versorgungsämter aufgelöst und deren Aufgabengebiete auf Städte und Gemeinden bzw. Landratsämter übertragen worden. Auf der Internetseite www.versorgungsaemter.de sind die für den Schwerbehindertenausweis zuständigen Behörden nach Bundesländern sortiert aufgelistet.
Das Versorgungsamt stellt anhand der Schwere der behinderungsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen den Grad der Behinderung (GdB) fest. Beträgt der GdB mindestens 50, liegt eine Schwerbehinderung vor und es wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Liegt der GdB unter 50, wird lediglich ein Bescheid über die Höhe des GdB ausgestellt.
Geprüft wird außerdem, ob die Voraussetzungen für bestimmte Merkzeichen vorliegen, die im Schwerbehindertenausweis eingetragen werden können und zur Inanspruchnahme bestimmter Nachteilsausgleiche berechtigen. Es handelt sich
dabei um folgende Merkzeichen:
G: der Ausweisinhaber ist in seiner Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt
aG: der Ausweisinhaber ist außergewöhnlich gehbehindert
H: der Ausweisinhaber ist hilflos, weil er ständig fremder Hilfe bedarf
B: der Ausweisinhaber ist zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt
Bl: der Ausweisinhaber ist blind
Gl: der Ausweisinhaber ist gehörlos oder erheblich schwerhörig verbunden mit schweren Sprachstörungen
RF: der Ausweisinhaber kann wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen
Der nachfolgende Überblick beschränkt sich auf die Darstellung einiger der wichtigsten Nachteilsausgleiche, die aufgrund des Schwerbehindertenausweises in Anspruch genommen werden können.
Nachteilsausgleich in der Schule
Der Nachteilsausgleich in der Schule ist ein Instrument zur Leistungsbewertung bei Schülerinnen und Schülern mit (chronischen) Erkrankungen.
- Bis zu 15 Prozent der Schülerschaft einer Schule sind chronisch erkrankt, darüber hinaus viele Schülerinnen und Schüler mit kurzzeitigen schwerwiegenden Erkrankungen bzw. Brüchen in ihrer Entwicklung (z.B. Unfallfolgen). Belastung durch die Schule wird von diesem Personenkreis und den Erziehungsberechtigten als hoch, die Unterstützung durch die Schule als gering eingeschätzt (Quelle: 1. Arbeitstagung „Chronisch kranke Kinder und Jugendlichen in den allgemeinen Schulen“ Reutlingen/Tübingen 12./13.11.2004).
- Maßgabe des zielgleichen Unterrichts enthebt die Schule nicht von ihrer verfassungsgemäßen besonderen Fürsorgepflicht für diesen Personenkreis
- neben besonderen methodischen Zugehensweisen Ausgleich von Nachteilen, die diesen Schülerinnen und Schülern durch die Institution „Schule“ erwachsen (Nachteilsausgleich)
- Voraussetzung ist die Vorlage eines aussagekräftigen ärztlichen Attests an die Schule.
Der Nachteilsausgleich kann sich zum Beispiel beziehen auf:
- Bewertung von Klassenarbeiten nach krankheitsbedingten Fehlzeiten
- Anzahl der Klassenarbeiten (die Leistungsbewertung kann auch mündlich, durch Hausaufgaben oder andere Arbeiten vorgenommen werden)
- Reduzierung der Unterrichtsangebote auf die Kernfächer (Befreiung von Musik, Kunst, Religion und Sport bzw. Veränderung der Bewertung erkennbarer Leistungen in der Schule oder im außerschulischen Lebensumfeld)
- Verteilung eines Schuljahres auf zwei Schuljahre (stets mit Zustimmung des Regierungspräsidiums Tübingen)
- Zulassung von Diktiergeräten zur Wiedergabe des Sprachausdrucks bei psychogenen Sprachstörungen
- Zulassung bzw. Bereitstellung spezieller Arbeitsmittel wie Alphasmart, Laptop, PC, Kassettenrekorder, spezifisch gestaltete Arbeitsblätter, größeres Schriftbild und besondere Heftgestaltung usw.
- differenzierte Aufgabenstellungen im Kunst-, Musik- und Sportunterricht
- Variation der Arbeitszeit bei Klassenarbeiten und Prüfungen (individuelle Verlängerung, Unterbrechungen, Räumlichkeiten etc.)
- Gewähr von Phasen der Entspannung (z.B. eine Runde ums Schulhaus joggen, kleiner Expander, Musikhören mit dem Discman etc.)
- Härtefallregelungen bei der Aufnahme in Berufsfachschulen oder berufsbildende Gymnasien (Notendurchschnitt!).
Quelle: http://www.schule-bw.de/schularten/sonderschulen/autismus/fbasperger/nachteil.html
Unentgeltliche Beförderung
Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (Merkzeichen „G“ bzw. „aG“) oder hilflos (Merkzeichen „H“) oder gehörlos (Merkzeichen „Gl“) sind, können beim Versorgungsamt eine Wertmarke kaufen und damit öffentliche Nahverkehrsmittel unentgeltlich nutzen. Seit 1. Januar 2013 kostet die Wertmarke 72 Euro im Jahr. Ist das Merkzeichen „H” oder
„Bl” eingetragen, wird die Wertmarke auf Antrag unentgeltlich abgegeben. Kostenlos wird die Wertmarke ferner dann ausgegeben, wenn der freifahrtberechtigte schwerbehinderte Mensch für den laufenden Lebensunterhalt Leistungen nach dem SGB XII (also z.B. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bezieht. Auch Züge des Nahverkehrs der Deutschen Bahn AG dürfen in der 2. Wagenklasse unentgeltlich genutzt werden. Bei zuschlagpflichtigen Zügen ist allerdings der tarifmäßige Zuschlag zu entrichten.
Unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson:
Im öffentlichen Personenverkehr wird die Begleitperson des schwerbehinderten Menschen unentgeltlich befördert, wenn im Ausweis das Merkzeichen „B“ eingetragen ist. Das betreffende Merkzeichen verbietet es nicht, dass der behinderte Mensch öffentliche Verkehrsmittel auch ohne Begleitung nutzt.
Parkerleichterung:
Außergewöhnlich gehbehinderte Menschen (Merkzeichen „aG“), blinde Menschen (Merkzeichen „Bl“), Menschen, denen beide Arme fehlen sowie Menschen, bei denen Hände und Füße unmittelbar am Rumpf ansetzen können vom Straßenverkehrsamt einen Parkausweis erhalten, der es ihnen beispielsweise erlaubt, ihr Kfz im eingeschränkten Halteverbot oder auf Parkplätzen zu parken, die durch ein Rollstuhlfahrersymbol gekennzeichnet sind.
Ermäßigung des Rundfunkbeitrags:
Seit dem 1. Januar 2013 ist für jede Wohnung ein Rundfunkbeitrag in Höhe von monatlich 17,98 Euro zu entrichten. Taubblinde Menschen sowie Menschen, die Blindenhilfe, Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung nach dem SGB XII beziehen können sich auf Antrag vollständig vom Rundfunkbeitrag befreien lassen. Auf ein Drittel, also einen Betrag von 5,99 Euro im Monat, ermäßigt sich der Beitrag für:
blinde oder sehbehinderte Menschen mit einem GdB von mindestens 60,
hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist sowie
behinderte Menschen, deren GdB mindestens 80 beträgt und die das Merkzeichen RF im Schwerbehindertenausweis haben.
Nach der alten Regelung konnten Ausweisinhaber mit dem Merkzeichen RF vollständig von der Rundfunkgebühr befreit werden.